Richterbericht Kleintier 05

 

20. Schweizerische Rammlerschau 2005 in Bern

 

Werbestand für die Englisch Widder an der Kleintier05 Ausstellung in Bern

 

Englische Widder (EW)

Krankheitsbedingt musste sich ein Expertenkollege kurzfristig abmelden. Deshalb übernahm ich die Bewertung des Englischwidderkaninchens selber. Die Rasse stellte sich mit 18 Tieren in verschiedenen Farbenschlägen vor. Gegenüber der Rammlerschau 2001 mit 24 und 2003 mit 19 Tieren reduzierte sich die Anzahl erneut.

 

Rassentyp und Körperform 

In der Körpergrösse reiht sich der Englische Widder unter die mittelgrossen Rassen. Im Vergleich zu den andern Widderrassen ist die Körperform länglich und weniger markant. Auffallend ist der längliche Kopf mit breiter Stirn und im Profil ausgesprochen gebogenem Nasenbein. Die schlaff herabhängenden Ohren erreichen eine Spannweite von über 60 cm und charakterisieren die Eigenart der Rasse.

Vor wenigen Jahren erfuhr das Standardbild der Rasse eine einschneidende Änderung, indem sich nun das Erscheinungsbild in einer leicht aufgerichteten Haltung zeigen muss. Mit der neuen Stellung wollte man bewirken, dass die Ohren den Boden nur noch wenig berühren

Der Englischwidder ist eine der ältesten Rassen und wird vor allem der überlangen Ohren wegen, als Liebhaberei und Herausforderung, gezüchtet. Mit der neuen Präsentationsform in leicht aufgerichteter Haltung geht der Blickfang auf die überlangen Ohren verloren. Dass damals die Züchterschaft mit dieser Veränderung nicht einverstanden war und zum Teil bis heute nicht ist, ist mehr als verständlich.

Doch um den Erhalt der Rasse längerfristig zu sichern, die beim Tierschutz ein Dauerthema war, musste die Fachtechnische Kommission handeln. Seither glätteten sich die Wogen und die züchterischen Bestrebungen brauchen laufen auf Kurs. Generell brauchen Änderungen Zeit und nur mit viel Fleiss und Ausdauer ist der Fortschritt möglich. Während der Umsetzungsphase ist wichtig, dass Konsequenz und Toleranz bei der Bewertung mit dem nötigen Fingerspitzengefühl angewendet wird.

Für die Körperformen, den Rassentyp und das Rassenmerkmal werden 60 Punkte vergeben. Das zeigt eindeutig, welche Eigenschaften das Zuchtziel bevorzugt. Tiere, die die gewünschte Ohrenspannweite nicht erreichen, bekunden auch Mühe, mit natürlicher Fütterung in den oberen Bereich des Idealgewichtes zu gelangen. Deshalb ist in der Zucht der grosse Rassenschlag anzustreben. Solche Tiere sind robuster und verfügen über ein gutes Wachs- und Entwicklungsvermögen, so auch im Hinblick auf die Ohrenlänge und deren bessere Beschaffenheit. 

 

Eigenheit der Rasse 

Das spezielle Aussehen der Rasse beginnt bei der Kopfpartie. Mit einer Ausnahme erreichten alle Tiere eine sehr gute Note. Sechsmal durfte sogar die Idealnote vergeben werden. Vielfach ist die Kopfform erst im zweiten Lebensjahr voll entwickelt und ausgereift. Es ist wichtig, dass der Kopf von vorne wie von der Seite betrachtet wird. Von vorne gesehen ist eine breite Stirn und eine gut entwickelte Maulpartie erwünscht. Von der Seite wird auf das längliche, besonders gebogene Nasenbein (Rams) geachtet.

Eine Eigenheit der Rasse sind die schlaff herabhängenden Ohren. Bis auf zwei erreichten alle Tiere die geforderte Spannweite von mindestens 60 cm. Auch die Ohrenbreite von 12 bis 15 cm bekundete keine Mühe. Zudem überzeugte die Beschaffenheit der Ohren wie auch die Ohrenränder, die ausgerundet sein müssen und keine nennenswerte Verknorpelung aufweisen dürfen. 

 

Typische Erscheinung

Direkt für die Bewertung der typischen Erscheinung sind die Resultate der ersten und der sechsten Position sowie das Idealgewicht massgeblich. Indirekt beeinflussen aber auch die übrigen Körperpositionen die gewünschte Grösse und Ausformung des Typs. Mit mehr oder weiniger Beihilfe zeigten sich alle Tiere in leicht aufgerichteter Haltung, was auch mit sehr guter Benotung honoriert wurde. 

Ebenso wussten einige Tiere mit guter bis sehr guter Rückenpartie zu gefallen. Also bekamen zwei Drittel der Tiere eine 19 in der typischen Erscheinung. Auf diesem Zuchtstand kann nun aufgebaut werden. Nebst den Tieren mit 96 oder mehr Punkten zeigte die Madagaskarschecke mit der Boxennummer 4209 eine sehr typische Rassenform. Leider überschritt sie das Idealgewicht und konnte bei der Siegerauswahl nicht mitmachen. Der Zuchtwert von diesem Tier ist aber unverkennbar und gilt als leitendes Vorbild für die Zukunft. 

 

Fell, Fellhaut und Farbe 

Der Zeitpunkt der Ausstellung lag richtig. Zweifellos zeigten sich einige Tiere in Fellblüte und erreichten dadurch die Note "sehr gut". Leider zeigen die meisten Englischen Widder eine kleine Hautfalte am Hals (Wammenansatz), was unweigerlich einen Punkteabzug nach sich zog. Offenbar ist diese Erscheinung recht gut eingezüchtet und wurde früher bei der tiefen Körperhaltung zu wenig beachtet. 

Auch beim Englischen Widder werden die Farben rein, satt und glänzend verlangt. Da die Abweichung in der Grundfarbe doch recht deutlich ist, erreichten wenig Tiere und nur dank schönem Glanz eine 9,5. Ein Vergleich lässt sich nur bei der Madagaskarfarbe zu. Die übrigen Farbenschläge waren nur vereinzelt vertreten. Die Abweichung und Wirkung der Madaskargrundfarbe zeigte sich blass über den ganzen Körper, ja zum Teil sogar aufgehellt, vor allem an der Blumenunterseite. In dieser Hinsicht sind unbedingt Verbesserungen anzustreben und das dürfte für die Zucht eine weitere Herausforderung werden. 

 

Siegerauslese 

Die Auslese des Champions hat sich bereits während der Bewertung ergeben. Die prägnante Kopfpartie wirkte sich nebst der sehr guten Körperform entscheidend auf den Typ aus. Ein Prachtkerl mit 96,5 Punkten. Er kam aus dem Stall von Josef Studer. Ich möchte dem Züchter zu diesem Erfolg ganz herzlich gratulieren. Seit Jahren ist er ein Züchtervorbild und setzt sich mit viel Fleiss erfolgreich für alle Belange der Rasse ein.

 

Vorzüge, Wünsche und Mängel 

Die erste Position und deren Rassenmerkmal sind gefestigt und dazu möchte ich herzlich gratulieren. Der Weg für das einheitliche Gesamtbild ist gelegt und muss züchterisch weiter ausgebaut werden. 

In den Positionen zwei und drei ist noch einiges an Verbesserungen möglich. Eine breite, schön ausgeformte Brustpartie sowie geschlossene Schultern und etwas kürzere Vorderläufe mit kurzem Auftritt sind wünschenswert. Zudem ist auch die Rückenpartie noch etwas breiter anzustreben. Die hervorstehenden Hüftknochen dürfen ganz gut noch weniger spürbar sein. Reine, satte und glänzende Grundfarben sind der Stolz jeder Rasse mit mehreren Farbenschlägen. Ein Mangel, der unbedingt verschwinden muss, ist die Hautfalte am Hals. 

 

Schlusswort 

Ich bin dankbar, dass ich diese Rasse bewerten durfte. Die Bewertung war eine Herausforderung und ein persönlicher Rassenlehrkurs. Ich hoffe, dass die abgestufte Bewertung zur Zuchtverbesserung beitragen kann und der Bewertungsbericht zur Standortbestimmung der Rassenqualität die Züchterschaft aktivieren wird. 

Ich danke allen Ausstellern für die Beteiligung an der Kleintiere 05 und wünsche im neuen Zuchtjahr vollen Erfolg und vor allem viel Freude im Kaninchenstall. 

Hans-Ulrich Schmid

Der Champion der 20. Rammlerschau in Bern 2005 
Züchter: Josef Studer

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